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GOMAD

Interview with Dutch urban artist GOMAD:

Realismus und Surrealismus sind immer Teil meiner Arbeit: Realismus in der Art und Weise, wie ich Augen, Porträts, Blumen und Vögel male, und ein verblüffender Surrealismus in der Verwandlung und Fragmentierung dieser Themen, die ich surreal erscheinen lasse, indem ich sie mit halbtransparenten, immateriellen Formen bedecke.

Du hast als kleiner Junge im Alter von 12 Jahren mit Graffiti angefangen und später deinen Bachelor in Kunst an der Kunstschule in Sittard, deiner Heimatstadt, abgeschlossen. Jetzt arbeitest du hauptberuflich als Urban Artist und Muralist. Was hat dich dazu gebracht, in so jungen Jahren mit Graffiti zu beginnen? Hat dein Kunststudium deine Entwicklung von Graffiti zu figurativer Kunst und Wandmalerei beeinflusst? 

Als Kind habe ich immer viel gezeichnet, aber so richtig inspiriert wurde ich durch den Film Beat Street und die Dokumentation Style Wars, damals im Jahr 1984. Diese beiden Filme haben mein Interesse an Graffiti und der Hip-Hop-Szene geweckt. Ich fing an zu breakdancen, zu rappen und selbst zu malen, und 1988 hatte ich mein erstes Auftragsgraffiti. 

Die Kunstschule hat mich beeinflusst, weil ich auch vier Jahre lang Kunstgeschichte studiert habe und viel über andere Kunstbewegungen und Künstler, Maler, Bildhauer und Architekten aus der ganzen Welt und aus verschiedenen Zeiträumen gelernt habe. Außerdem lernte ich verschiedene Maltechniken wie das Arbeiten mit Acrylfarben und die Art und Weise, wie man die Dinge betrachtet, wenn es um Licht, Schattierungen und Kontraste geht, Konzeptdenken und Farbtheorie.

Und das war auch die Zeit, in der ich meinen Stil von Graffitis zu mehr figurativer Kunst verändert habe, aber immer noch alles mit Sprayfarben ausgeführt. Dieser Wechsel dauerte tatsächlich Jahre, von Buchstaben zum 2D-Cartoon-Stil und später 3D-Cartoon-Stil, bis hin zu Realismus und Surrealismus. 

Was wärst du geworden, wenn du nicht als Künstler tätig wärst?

Vielleicht wäre ich Sportlehrer oder Physiotherapeut geworden, denn als ich 18 Jahre alt war, dachte ich darüber nach, auf die Sporthochschule zu gehen. 

Oder ich würde immer noch als Grafikdesigner arbeiten, was viele Jahre lang mein Hauptberuf war (1998-2013). Dieser grafische Touch ist auch heute noch in all meinen Entwürfen zu sehen.

Geleen, Niederlande I 2020

Was charakterisiert Urban Art und Graffiti für dich persönlich? Wie würdest du die Entwicklung dieser subkulturell geprägten Kunstbewegung über die Jahre hinweg beschreiben? 

Es ist eine Kunstform, die für jeden zugänglich ist; alle Menschen können sich mit ihr identifizieren. Kunst von und auf den Straßen. Meiner Meinung nach ist es die „größte und neueste“ Kunstbewegung weltweit seit Jahrzehnten. Es scheint, als ob die Kunstwelt für lange Zeit still stand. Heutzutage sieht man überall Street Art und Graffiti Kunst. Sie ist voll akzeptiert, von TV-Werbung über Galerien und Museen bis hin zur Geschäftswelt. Sie wuchs vom Vandalismus zu einer vollwertigen Kunstform mit all ihren Aspekten, wie Graffiti, Street Art, Muralismus, Paste-ups, Aufkleber, etc.

Stadskanaal, Niederlande I 2021

Waterford, Irland I 2021

Ein Faktor, der dich als Künstler besonders interessant macht, ist, dass du farbenblind bist. Zwei von 25 Menschen sind farbenblind, aber die Zahl der bekannten Künstler ist vergleichsweise minimal. Wie gehst du an deine Arbeit heran, was die Methode und die Techniken angeht? Beeinflusst deine Farbenblindheit deine Arbeitsweise in irgendeiner Weise?

Ich habe eine Form von Farbenblindheit. Ich kann Farben sehen, aber vielleicht auf eine etwas andere Art und Weise. Ich habe einige Schwierigkeiten mit den Drittfarben, den sogenannten Tertiärfarben, wie z.B. den Mischfarben aus Braun und Grün oder Blau und Lila. Das hat mich nie davon abgehalten, meine Kunst zu machen oder als Grafikdesigner zu arbeiten. Früher habe ich dieses Manko für mich behalten, aber 2013 habe ich beschlossen, es öffentlich zu machen. Ich hatte schon immer eine besondere Beziehung zu Augen und Farben. Das Auge wurde zu meinem Markenzeichen, weil die Iris viele Farben in sich trägt und wir auf diese Weise die Farben der Welt sehen können. Das war auch eine Möglichkeit für mich, mich von anderen Künstlern zu unterscheiden.

Seit 2013 haben meine Frau Nancy und ich ein Künstlerduo gebildet, in dem sie meine Sparringspartnerin ist, wenn es um Designs geht, mir mit meiner Mural Agency im Allgemeinen hilft, die Bücher in Ordnung hält, der beruhigende Faktor ist, aber auch unsere Wandbilder gemeinsam mit mir malt, indem sie Hintergrundfüllungen und dergleichen macht. Sie ist eine echte helfende Hand. Sie wählt auch die Farbe aus, wenn ich mir bei bestimmten Farben unsicher bin. 

Kaiserslautern I 2019

Miami, USA I 2019

Bodegraven, Niederlande I 2018

Dein persönlicher Stil ist oft geprägt von fotorealistischen Elementen, kombiniert mit kubismusähnlichen abstrakten Farbformen und Tieren – surrealistische Kompositionen, die manche als Post-Neo-Kubismus beschreiben. Wie würdest du selbst deinen Stil beschreiben und einordnen? 

Post-Neo-Kubismus war eine Periode von 2016 bis 2019, in der ich mit geraden Formen in meinen Hintergründen experimentiert habe, die dem Kubismus ähneln. Aber jetzt mache ich mehr Gebrauch von organischen Formen. Als Künstler entwickelst du deinen Stil immer weiter und erneuerst ihn. Realismus und Surrealismus sind immer Teil meiner Arbeit: Realismus in der Art und Weise, wie ich Augen, Porträts, Blumen und Vögel male, und ein verblüffender Surrealismus in der Verwandlung und Fragmentierung dieser Themen, die ich surreal erscheinen lasse, indem ich sie mit organischen, halbtransparenten, immateriellen Formen bedecke.

Also würde ich meinen Wandmalerei-Stil jetzt als surrealen Post-Neo-Graffitismus beschreiben. 

St. Petersburg, USA I 2018

Was sind deine Quellen der Inspiration? Gibt es andere Künstler, die dich inspirieren?  

Alles um mich herum kann mich inspirieren, wie andere Kunst und Künstler, oder unsere Umgebung, wie die Natur, Tiere, Menschen, etc. Einige Künstler, die ich für ihre Fähigkeiten respektiere und die mich mit ihrer Kunst beeinflussen, sind das Künstlerduo TelmoMiel aus Rotterdam, der spanische Künstler Belin, und der italienische Künstler Vesod. Aber es gibt natürlich noch viele mehr.

Eindhoven, Niederlande I 2020

Welche Gedanken, Reaktionen oder Gefühle möchtest du bei den Betrachtern deiner Werke hervorrufen? 

Der Ooh- und Aah-Effekt ist immer schön. Ich hoffe immer, dass sie es fühlen, es schätzen und mögen. Außerdem mag ich es, wenn die Leute anfangen, über Kunst zu reden oder zu diskutieren, wenn sie Kunst zum ersten Mal „wirklich“ sehen und sich ihrer bewusst werden, während sie normalerweise einfach daran vorbeigehen würden, ohne es zu bemerken. Oder sie finden es einfach schön oder wollen die Bedeutung meiner Kunst und die Botschaft dahinter wissen. Oder den Künstler dahinter. Vielleicht auch nur das Wie und Warum.

Geleen, Niederlande I 2020

Was war bisher deine herausforderndste und erfüllendste Arbeit?

Es war eine Herausforderung, zusammen mit einigen Künstlerkollegen das größte Wandbild in Holland fertigzustellen. Es waren ungefähr 2.000 Quadratmeter Metallwand, gerade nach einer neunmonatigen Erholungsphase von zwei gebrochenen Fersen. Ich bin von einem einstürzenden Gerüst heruntergefallen und habe mir beide Fersen in zwölf Teile zertrümmert. Das erste Mural, das ich nach dieser langen Zeit, in der ich nichts tun konnte, außer mich hinzulegen, machte, war also diese große Wand. Es war eine Herausforderung, zu stehen, zu gehen und an dem größten Wandgemälde meiner Karriere zu arbeiten. Aber das gab mir die Chance, anzufangen, mit Ölfarben zu experimentieren. Manche Dinge passieren aus einem bestimmten Grund.

Erfüllend ist eigentlich jedes Werk, das ich erfolgreich fertigstelle. 

Den Bosch, Niederlande I 2016

Was sind deine Ideen, Ziele und Träume für die Zukunft?

Ich hoffe, noch mehr von der Welt zu sehen, für meine Kunst zu reisen, wohin auch immer die Kunst mich führt und verschiedene Menschen und Kulturkreise zu treffen, denen ich meine Kunst zeigen und sie glücklich machen kann.

Ich liebe es, Street Art und Mural Festivals zu besuchen und Auftragsarbeiten zu machen, so viel ich kann, und Kunst auf Leinwand zu machen, um sie in Galerien und Ausstellungen in jeder Ecke der Welt zu zeigen.

Vor Covid wären wir nach Chicago, Denver, Greensboro und Brooklyn gereist, um einige große Wandbilder zu machen. Ich war auch im Gespräch mit Festivals in Kanada, Russland und Australien. Hoffen wir also, dass wir bald wieder reisen können, um diese Projekte nachzuholen. 

Bristol, UK I 2018

GOMAD I Marcus Debie

Sittard, Netherlands

Website marcusgomaddebie.com

Instagram marcus_gomad_debie

Youtube GOMAD Urban Art Studio

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Pictures © GOMAD

 

August 2021

by Laura Vetter